- LIV - Das Leben am Rand des Abgrunds

Schnell geht mein Atem, das Herz schlägt in einem unbekanntem Tempo, zerreißt den Brustkorb und wird zu einem schmerzenden Hämmern das nicht aufgehalten werden kann. Neben dem ständigen Geräusch des ausgestoßenen Atems erklingt das Geräusch schnell auftreffender Füße auf dem Boden, was meinen Körper jedes mal zum Vibrieren bringt. Schon längst nehme ich die Natur nicht mehr wahr, hetzt wie ein Gejagter durch sie; an Bäumen vorbei, durch Büsche hindurch, über Stock und Stein. Und irgendwann erreiche ich eine Lichtung, stolper über den Rand, schaue nicht zurück, nicht nach vorne, kenne nurnoch den Drang in Bewegung zu bleiben. Ein Drang, der so stark ist, dass ich nicht einmal den Graben erkenne, den Abhang, über den ich mit langen Schritten springe...


Schon oft hatte ich das Bild vor mir, ein Abgrund vor dem ich stehe, in den ich springe, in den ich falle, weil ich mich nicht entscheiden kann. Alltäglich wander ich am Grat von Leben und Tod, greif mal hinüber, schaue herunter und lächel leicht, während mich an anderen Tagen ein Gefühl der Übelkeit überkommt, wenn ich auch nur eine Sekunde zu lang herunter schaue.

Am Ende sitze ich im Gras vor der Klippe, starre in den Himmel und seh der Sonne beim untergehen zu, genieße den Regen und werde mir der Mehrdeutigkeit dieses Ortes bewusst, der Tiefe des einen Gedankens, der weit über das Ende hinaus geht. Ich erkenne die Angst, die Sorge, das Aufgeben, die Hoffnung, den Mut, die Zuversicht - das Leben.

Ich bin zum Zuschauer verkommen, dem ewigem Betrachter, der still und leise in der glühenden Hitze steht, im Regen sitzt, im Sturm verweilt und im Chaos ruhig bleibt.

Kommentare

  1. Ich sags ja- du solltest Schriftsteller werden.

    Manchmal im Leben ist es einfach so, dass man- aus welchen Gründen auch immer- Zuschauer des eigenen Lebens ist. Man betrachtet alles von außen und es ist einem unmöglich, "einzugreifen". Bis Tag x kommt. Der Tag, an dem sich alles wendet und man nicht mehr länger im Regen sitzen bleibt, den Sturm über sich ergehen lässt sondern wieder "richtig lebt"

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  2. Eigentlich ein besonderer Moment, wenn man vom Betrachter zum Mitwirkenden wird und realisiert, dass man den wieteren Verlauf der Dinge selbst in der Hand hat. Egal wie, egal ob Jahre, Tage, Monate oder nur ein paar Stunden später, dann wird der Traum plötzlich Realität. Irgendwie ein schöner Gedanke.

    Ich sage es dir gerne immer und immer wieder. Zwar drücke ich dir die Daumen, dass der Plan, den du gerade hast, aufgeht und alles so kommt, wie du es dir wünschst, aber ich fände "Plan B" auch erstrebenswert- (ist egoistisch, ich weiss)- reisen und schreiben.
    Wie wunderbar wäre es doch, wenn das leben nur daraus bestünde.

    Danke, für mich ist es eigentlich einfach nur eine weitere Erinnerung. Zwar eine, die ich nicht sehr gut in Worte fassen kann, wie oft ich es auch versuche, aber auch eine, die mir jedes Mal ein Lächeln aufs Gesicht zaubert und mich immer wieder daran erinnert, dass noch eine andere, buntere Welt existiert. Etwas, das ich leider oft genug wieder vergesse oder verdränge.

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